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Ein gemäß der Theorie geplanter Ort

Architektur der Moderne mitten in der Nordsee

Die vollständige Zerstörung Helgolands im Zweiten Weltkrieg und die anschließende Nutzung als Bombenabwurfziel hinterließen eine Insel ohne Gebäude. Als die Rückkehr der Bevölkerung 1952 beschlossen wurde, bot sich eine ungewöhnliche Situation – eine ganze Insel musste neu geplant werden, während die meisten Helgoländer noch auf dem Festland lebten. Dies eröffnete die Möglichkeit, architektonische Grundsätze neu zu durchdenken.

Der Wiederaufbau folgte einer klaren Leitidee

Der Charakter des alten Fischerortes sollte bewahrt werden, jedoch in einer zeitgemäßen, modernen Form. Die Gesamtplanung übernahm die Technische Kommission unter Leitung von Otto Bartning, dem damaligen Präsidenten des Bundes Deutscher Architekten. Vor Ort koordinierte H. P. Rickmers als Leiter des Helgoland-Büros und Beauftragter der Bundesregierung Deutschland für Helgoland die umfangreichen Baumaßnahmen und vermittelte zwischen den Planern und der heimkehrenden Bevölkerung. Rickmers trug als Kommunalpolitiker maßgeblich dazu bei, dass der Wiederaufbau trotz zahlreicher Herausforderungen stetig voranschritt. Bartning kannte Helgoland aus früherer Zeit und stand zugleich in der Tradition der Moderne. Im Deutschen Werkbund hatte er mit Walter Gropius an den Grundlagen der Bauhaus-Philosophie mitgewirkt.

In den 1950er-Jahren wurden auf Helgoland die Bauhaus-Ideen sowohl durch architektonische Elemente als auch durch ihre grundlegenden Prinzipien umgesetzt: Funktionalität, Klarheit, Lichtdurchflutung und strukturelle Einfachheit. Ein besonderes Anliegen des Wiederaufbaus war die gerechte Verteilung von Wohnqualitäten – möglichst viele Gebäude sollten Meerblick und Sonnenlicht erhalten. Die Gebäude verkörpern zentrale Bauhaus-Prinzipien: reduzierte Form, Verzicht auf dekorative Elemente und eine Gestaltung, die den Bedürfnissen der Bewohner dient.

Zu den Architekten, die das neue Helgoland gestalteten, zählten

  • Gustav Hassenpflug (Aquarium und Biologische Anstalt)
  • Friedrich Spengelin (Kurhaus, Rathaus, Hotel Insulaner, Jugendherberge)
  • Werner Kallmorgen (ehemaliges Haus Viking)
  • Georg Wellhausen (Hummerbuden, Versuchshäuser, Nordseehalle)

Die Bebauung Helgolands entspricht keiner klassischen Bauhaus-Siedlung im stilistischen Sinne der 1920er Jahre, doch sind die philosophischen Grundgedanken des Bauhaus deutlich erkennbar – besonders im Konzept des egalitären Wohnens, der funktionalen Gestaltung und der städtebaulichen Struktur, die Elemente der Charta von Athen aufgreift. Der Landeskonservator Schleswig-Holsteins bezeichnete Helgoland 1993 als „die Blaue Mauritius der jungen bundesrepublikanischen Architektur".

Heute bildet Helgoland das größte zusammenhängende Ensemble moderner Wiederaufbauarchitektur in Deutschland. Zahlreiche Gebäude stehen unter Denkmalschutz. Die klaren Linien der von skandinavischen Einflüssen geprägten Gebäude harmonieren mit dem Fels und dem weiten Horizont von Himmel und Meer. Daraus hat der Hamburger Künstler Johannes Ufer die dreizehn Farben, die auf Helgoland verwandt werden, abgewandelt.

Wer Helgoland besucht, erlebt nicht nur eine Insel, die sich nach ihrer Zerstörung neu erfinden musste, sondern auch eine damalige Vision zeitgemäßen Wohnens unter besonderen geografischen Bedingungen – entstanden aus rationalen Überlegungen, menschlichem Maßstab und architektonischer Kohärenz.